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Michael Schmithüsen-Funsch

Eine Woche auf dem Camino de Santiago - el camino inglés

Wir laufen auf dem Jakobsweg. Moment mal? Der Jakobsweg? Es gibt eine Vielzahl von Jakobswegen, der bekannteste ist sicher der Camino francés, der in Frankreich in den Pyrenäen startet und über Pamplona, Burgos und Léon nach Santiago de Compostela führt. Auch wir denken immer an diesen Weg, wenn wir über „den Jakobsweg“ sprechen.

Wir haben uns Ende Oktober 2024 aber vorgenommen, den Camino inglés von Ferrol nach Santiago zu laufen.

Das sind etwa 115 km aufgeteilt auf 6 Tagesetappen. Wir planen, das Auto in Santiago stehen zu lassen, mit dem Fernbus nach Ferrol zu fahren und am gleichen Tag die erste Etappe in Angriff zu nehmen. Dafür haben wir uns nach einem Parkplatz erkundigt, vorab Busfahrkarten für den ersten Bus gleich morgens gekauft und sind dann früh aufgestanden, um vom Parkplatz zum Busbahnhof zu laufen.

Alles klappt und wir freuen uns sehr auf diese besondere Unternehmung. Am Busbahnhof trinken wir noch einen Tee, dann geht an den Bussteig. Wir bemerken zwar, dass kein Bus im ganzen Busbahnhof zu sehen ist, ordnen dies aber gedanklich nicht ein, bis eine Frau auf uns zukommt und wir von ihr erfahren, dass heute Streik ist und gar keine Busse fahren. Im Gespräch erfahren wir von ihr, dass sie ihren Camino bereits hinter sich hat und sie heute zum Flughafen wollte, um nach Hause zu fliegen. Wir tauschen uns noch ein wenig über den Camino aus, bevor jeder beginnt seine Reise umzuplanen.

Am Fahrkartenschalter wird uns der Streik bestätigt. Da wir bereits die erste Unterkunft für den heutigen Abend gebucht haben, entscheiden wir uns schnell, mit dem Auto nach Ferrol zu fahren, unterwegs für dort einen Parkplatz zu suchen und dann loszugehen. Die Fahrt dauert etwas mehr als eine Stunde und wir können den Parkplatz ansteuern. Alles passt soweit, wir haben es fast geschafft - jetzt nur noch zum Kilometer 0 des Caminos gehen, im Pilgerbüro den Pilgerpass stempeln lassen und dann starten wir endlich mit unserem ersten Jakobsweg.

Wir sind fast zwei Stunden später losgekommen durch den Busstreik; davon lassen wir uns aber nicht aus der Ruhe bringen. Der Rucksack sitzt (wir wissen leider nur nicht, wie schwer er war), das Wetter ist traumhaft und unsere Laune hervorragend.


Unsere Etappenplanung:

  1. Ferrol —> Pereiro (24,7km)

  2. Pereiro —> Miño (12,8km)

  3. Miño —> Betanzos (12,4km)

  4. Betanzos —> Bruma (24,7km)

  5. Bruma —> Sigüeiro (27,7km)

  6. Sigüeiro —> Santiago de Compostela (15,9km)


Wir haben die ersten drei angedachten Etappen etwas umgeplant. Statt am ersten Tag ca. 16 km einzuplanen, haben wir hier 24 km angedacht. Da wir ja leider mit Verspätung gestartet sind, sind wir dann auch etwas in die Dämmerung gekommen. Die Etappe war aber sehr abwechslungsreich. Zunächst ging es in Ferrol durch die Altstadt und dann immer in der Nähe der Küste entlang, so dass wir das Wasser sehen können. Wirklich schön. Besonders schön sind die kleinen Strandabschnitte und Parkbereiche, die am Ufer zu finden sind. Sie laden wirklich zum Verweilen ein. Bleiben können wir natürlich nicht überall, aber auch beim Laufen gefällt es sehr.


Der Camino inglés ist hervorragend ausgeschildert, wobei dies nicht die richtige Formulierung ist: in regelmäßigen Abständen stehen schöne Steine, an denen die Muschel und ein Pfeil den Weg weisen. Daneben steht auch immer die aktuelle Entfernung bis Santiago mit auf dem Stein. Mit jedem Stein sieht man also sein Vorankommen. Darüberhinaus findet sich auch an vielen Stellen auf der Straße oder auf Bäumen oder Häuser ein gelber Pfeil oder Kacheln mit Pfeil und Muschel.

In unserer ersten Unterkunft kommen wir in der Dämmerung an. Wir freuen uns auf ein Essen und auf die Dusche. Und wir lassen hier gleich noch unseren Pilgerpass stempeln. Der Pilgerpass weist uns als Pilger aus und die Stempel dienen in Santiago als Nachweis, dass wir den Weg auch tatsächlich gegangen sind. Dazu benötigen wir pro Tag mindestens zwei Stempel. Die Stempel gibt es in Kirchen und Kapellen, aber auch in Touristeninformationen, Cafés, Restaurants und anscheinend auch in Apotheken. Letzteres haben wir erst im Nachhinein erfahren. Da aber die meisten, die den Jakobsweg gehen, auch ab und zu in eine Apotheke müssen (Stichwort: Blasenpflaster), ist das ja auch eine sinnvolle Sache. 😅🦶🩹

Am zweiten Tag kommen wir deutlich früher auf den Weg. Wir lassen es aber gemütlich mit einem guten Frühstück in der Unterkunft angehen. Anschließend packen wir den Rucksack fertig und es geht los. Die ersten Schritte fühlen sich noch etwas staksig an, aber wir kommen schnell wieder in den richtigen Schwung. Heute haben wir etwa 14 km vor uns, wir haben also richtig Zeit. Wir genießen die Umgebung, mal jeder für sich, meistens aber gemeinsam. Und wir haben viel Zeit uns viel miteinander zu unterhalten. Dabei geht es im Weg natürlich voran und wir freuen uns, wenn wir durch Ortschaften kommen.

Katharina hat leider eine Blase am Fuß, die schmerzt. Bei einer Pause in Cabanas beobachtet uns eine ältere Frau aus einem oberen Stockwerk, wie wir die Schuhe ausziehen, um Luft an die Blase zu lassen. Sie versucht mit uns ins Gespräch zu kommen; leider verstehen wir uns kaum. Sie wirft uns aber eine Visitenkarte eines Hotels zu sowie einen Werbeprospekt, um in den Pausen die Füße darauf zu legen, damit sie nicht auf den Asphalt kommen.

Auf der Straßenbrücke mit der N-651 über den Rio Eume gelangen wir in den Ort Pontedeume und durchqueren die Altstadt. In die Kirche kommen wir leider nicht hinein, es ist Mittagspause. Es geht also weiter auf dem Camino in Richtung Miño. Kurz vor Miño kehren wir noch in einem kleinen Pilgercafé ein, wo wir einen Tee trinken und ein Stück Kuchen bei schönem Sonnenschein auf der Terrasse genießen. Auch auf diesem Teilstück kommen wir auf einer Brücke über die Autobahn und auch unter der Autobahn durch. Besonders faszinierend sind die Bereiche, in denen die Autobahn hoch oben über dem Tal auf Brücken geführt wird. Noch schöner sind allerdings die Ausblicke aufs Meer oder in ein Tal hinein. In Miño kommen wir am Nachmittag an, wir suchen erst unsere Unterkunft auf und genießen dann den Sonnenuntergang mit unserem Abendessen am Strand.


Auch unsere dritte Etappe ist relativ kurz, so dass wir uns etwas Zeit lassen können. Wir frühstücken gemütlich und machen uns dann langsam auf den Weg. Heute geht es weg vom Meer in die Berge. Wir laufen eine ganze Weile am Rio Lambre entlang. Wir halten immer wieder an, genießen Aussichten, Wandmalereien, schauen uns Pflanzen an. In Betanzos sitzen wir lange an der zentralen Plaza und beobachten das Geschehen. Am Abend freuen wir uns über die Dusche und planen danach die weiteren Etappen und Unterkünfte.

Die vierte Etappe nach Bruma ist als schwierige und lange Etappe mit vielen Steigungen angekündigt. Daher entscheiden wir uns dazu uns recht früh auf den Weg zu machen und erleben unterwegs den Sonnenaufgang. Dies ist ein wirklicher Motivationsschub, der uns den ganzen Tag hilft. Am heutigen Tag treffen wir auch auf viele andere Pilger; in den anderen Tagen hatten wir noch wenig Kontakt. Wir laufen viel auf Forststraßen, aber auch viel auf Asphalt an den Straßen entlang. Diese Strecken sind oft dadurch anstrengend, dass die Autos recht schnell an uns vorbeifahren und es auch recht laut ist. Insgesamt schaffen wir aber diese Etappe besser als wir erwartet hatten und sind voll zufrieden mit dem Verlauf des Tages.

Auch die fünfte Etappe ist recht lang und mit wenigen Einkehrmöglichkeiten. Wir haben aber immer etwas zu essen und zu trinken dabei, so dass wir da gar nicht so darauf angewiesen sind. Und Wasser können wir an den vorhandenen Trinkwasserbrunnen auffüllen. An diesen steht auch immer dran, wie weit der nächste reguläre Brunnen entfernt ist. Und so kommen wir flott voran. Vor Sigüeiro laufen wir eine ganze Weile auf einem Waldweg neben der Autobahn entlang. Der Weg an sich ist schön, der Autolärm weniger. Bevor man in Sigüeiro in die Stadt kommt, zieht es sich noch etwas im Industriegebiet.

Die Schlussetappe ist irgendwie etwas besonderes. Heute kommen wir an das Ziel des gesamten Weges: Santiago de Compostela. Wir starten früh noch im Morgengrauen. Der Morgennebel liegt über den Wegen. Den Sonnenaufgang sehen wir, als wir über eine Brücke laufen. Es ist ein schönes Gefühl, so in den Tag zu laufen. Wir kommen durch einen schönen Eichenwald und wir haben wie in den letzten Tagen auch immer wieder Eukalyptuswälder. Uns war gar nicht bewusst, dass es Eukalyptus in Spanien gibt.

Nach Santiago kommt man über ein Gewerbegebiet und in der Nähe eines Camperstellplatzes vorbei, an dem wir vor unserem Camino einige Tage mit unserem Busauto gestanden sind. Den Weg bis zur Kathedrale kennen wir ab hier also gut; heute ist er aber besonders schön.

Am Platz vor der Kathedrale setzen wir uns auf den Boden und lassen uns viel Zeit, in Santiago anzukommen. Wir treffen Pilger, die wir unterwegs kennengelernt haben. Und dann spricht uns jemand an, ob wir deutsch sprechen. Ein Touristenführer möchte für seine Gruppe mit uns über den Camino sprechen, um ein authentisches Bild zu bekommen. Wir erzählen davon, dass ein Pilger mindestens 100 Kilometer zu Fuß bis Santiago unterwegs sein muss, um eine Compostela zu bekommen. Wir berichten, wo es die Stempel für den Pilgerpass gibt. Und wir bekommen von der Reisegruppe ein Buen Camino mit auf den Weg.

Und endlich machen wir uns auch auf, unsere Compostela im Pilgerbüro abzuholen. Unsere Daten haben wir schon unterwegs übermitteln können - auf dem Pilgerpass ist ein QR-Code dafür. Am Eingang bekommen wir eine Nummer, dann dauert es etwa eine Viertelstunde, bis wir an den Schalter kommen. Die Urkunde wird ausgedruckt und wir können sie in Empfang nehmen. Wir haben es geschafft, wir sind den Jakobsweg gelaufen, auf dem wir viel Zeit und Muße hatten, nachzudenken und uns zu unterhalten. Und wir werden uns sicher wieder auf den Weg machen. Buen Camino!


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2 Comments


Guest
Nov 21

Hey Steffi,

danke schön für den lieben Kommentar.😃👍

Ja das war auch was ganz besonderes für uns.😊

Das werden wir haben, dir auch eine gute Zeit und auch eine schöne Reise nächstes Jahr.🚙😊👍

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Steffi
Nov 21

Hey ihr Zwei,

was für ein toller Bericht.

Da bekomme ich auch gleich Lust nochmal einen Camino zu wandern😉

Ich merke mir diesen Weg mal für nächstes Jahr, falls es über Winter nach Spanien geht.

Viele Grüße und weiterhin eine tolle Reise.

Steffi

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